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Wie analoge Fotografie meine Freude am Fotografieren zurückbrachte | Nick Frank

Mehr Spaß an der Fotografie, durch analoges fotografieren.

Wie ich durch analoge Fotografie wieder Spaß am Fotografieren gefunden habe

Von meinem Arbeitsplatz aus blicke ich rechts am Monitor vorbei aus dem Fenster. Ein Grad und Schneeregen. Menschen mit schwarzen Schirmen ziehen Richtung U-Bahn. Scheisse, ich habe schlechte Laune.
Es ist Winter. Bei schönem Wetter hätte ich jetzt eine meiner analogen Kameras in der Hand und würde durch München laufen.

Ich vermisse es. Nach fast acht Jahren Pause fotografiere ich wieder einfach so. Nur zum Spaß. Oft sogar zweimal am Tag. Morgens bei Sonnenaufgang und abends zur blauen Stunde.

Warum analoge Fotografie mich wieder vollständig fühlen lässt

Es gibt Momente im Leben eines Fotografen, in denen Routine die Leidenschaft erstickt. Wenn jedes Foto technisch perfekt ist und jede Abweichung als korrigierbarer Fehler gilt, verliert Fotografie etwas Entscheidendes. Überraschung. Zufall. Persönlichkeit. Genau das ist mir passiert.

Ich liebte meinen Job weiterhin, aber nur im Rahmen eines Auftrags wegen der Herausforderung. Darüber hinaus passierte nichts mehr. Für viele klingt das nach einem guten Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben. Für mich nicht. Mein Job definiert mich und ich möchte meine Leidenschaft in jeder Lebenssituation spüren. Diese Sogwirkung war verschwunden. Ich suchte Ersatz im 3D-Druck, der Musik, im Sport und in der Produktentwicklung, aber nichts kam an die Wirkung heran, die Fotografie (und World of Warcraft) früher auf mich hatte.

Der überraschende Auslöser für meinen Neustart

Schwarzweiss Mode Aufnahme eines Mannes mit einem Footballshirt. Bild von Christian Hertel.
Christian Hertel für Qvest

Der Impuls kam unspektakulär. Mein Freund Christian ehemaliger Modefotograf kaufte sich eine Mamiya 7 II. Eine Mittelformatkamera aus den späten Achtzigern.
Macht geile Bilder, sagte er. "Ok!" habe ich mir gedacht. Als überzeugter Digitalshooter belächelte ich das erst mal. Aber irgendwie war ich neugierig.

Auf YouTube tauchte ich tiefer in das Thema analoge Fotografie ein und kurz darauf fand ich auf Kleinanzeigen eine Mamiya 6 inklusive Objektiven und 20 Filmen einer Hochzeitsfotografin. 6x6-Format. Das Format fand ich immer schon gut.

Mein erster Film war ein zufällig gewählter, ein über zwanzig Jahre alter REALA. Den Namen kannte ich von meiner Fujifilm Kamera, als Preset.
Los ging die wilde Fahrt!
Das Ergebnis war tatsächlich wild. Unterbelichtet wild, dafür aber bunt.
Genau das war aber der Beginn von etwas Neuem.

Die ersten Versuche mit dem FUJI REALA Film. Zu sehen sind 3 Bilder.
Die ersten Versuche mit dem Fuji REALA - recht schön. Vor allem schön unterbelichtet.

Neustart mit Film und warum analog fotografieren süchtig macht

Plötzlich war die Sogwirkung wieder da. Ich wollte alles über analoge Fotografie lernen. Warum meine Bilder unterbelichtet waren. Wie man Film selbst entwickelt, eine Woche auf ein Labor zu warten war für mich keine Option. Ich bin zu ungeduldig.

Vor allem aber hatte ich wieder Spaß daran, die Kamera in die Hand zu nehmen und einfach loszugehen. Morgens und abends. Bewusster. Langsamer. Aufmerksamer.

Analoge Fotografie zwingt zu Entscheidungen. Ein Mittelformatbild kostet rund zwei Euro. Auf einen Film passen nur acht bis fünfzehn Aufnahmen. Da schmerzt jeder Klick. :-) Das schult das Auge und verändert die Wahrnehmung. Wo ich digital einfach nur auslöse und die Speicherkarte glühen lasse, denke ich bei Film über jedes Bild nach. Man ist im Moment. Vollständig.

Filmentwicklung als Teil des Prozesses

Allein der Gedanke daran hat etwas Magisches. Den Film im Dunkelsack mit schwitzigen Fingern auf die Spule zu ziehen, in Bad oder Küche zu stehen, wo alles doch eher improvisiert ist und dennoch hochkonzentriert, definitiv Teil der Faszination.

Die Minuten zwischen Entwickler und Fixierer fühlen sich wie ein Countdown an. Gleich erscheint etwas, das bislang nur im Kopf existiert hat. Dieses Warten ist pure Spannung und ein emotionales Glücksspiel. Beim Öffnen der Entwicklungsdose hängt der Filmstreifen zum ersten Mal im Licht. Man sieht sofort, ob es ein Jackpot ist oder ein Totalausfall. Aber entscheidend ist der Prozess. Er ist haptisch, handwerklich und belohnend. Und ja, angeblich schüttet der Körper ab dem Moment des Klicks bis hin zu herausziehen des Negativs aus der Dose durchgehend geringe Mengen Dopamin aus.

Warum Unperfektion heute wieder wertvoll ist

Analoge Fotografie lebt von Unsauberkeiten. Leichte Unschärfen, Filmkorn oder ein schiefer Horizont. Früher nannte man das Fehler. Heute sind es Charaktermerkmale. Sie verleihen Bildern Tiefe und Echtheit.
Sie machen Fotografien unverwechselbar.

o2 Tower München bei Sonnenuntergang
O2 Tower München, Kodak Ektar. Bronica GS-1, 250mm + 1.4 Teleconverter. Belichtungszeit geraten, Sekonic Batterie war leer.

Seit ich wieder analog fotografiere, habe ich gelernt loszulassen und nicht jedes Detail kontrollieren zu wollen. Analoge Fotografie ist ein Gegenpol zur Perfektion. Diese Aufnahmen retuschiere ich auch kaum. Den Look belasse ich. Habe ich mich doch bewusst über die Wahl des Films, auch für einen Look entschieden.

Warum KI Bilder den Trend zur analogen Fotografie verstärken

Interessanterweise ist es gerade jetzt, die Zeit, in der KI-generierte Bilder überall auftauchen, die mich zurück zum Film gebracht hat. AI produziert Bilder, die perfekt sind. Zu perfekt. Makellos, steril, hyperrealistisch. Alles ist möglich. Genau deshalb verliert vieles an Bedeutung und wird uninteressant. 

Viele Menschen spüren das intuitiv. Sie sind übersättigt von den perfekten, künstlichen Darstellungen. Der ästhetische “Sweet Spot” kippt gerade. Was früher beeindruckte, wirkt heute austauschbar und langweilt.

Es reicht auch einfach nicht, einem KI Bild etwas Korn hinzuzufügen und einen Analog-Look.

  • Die analoge Fotografie ist das Gegenteil.

  • Sie ist nicht sofort.

  • Sie ist nicht “promptbar”.

  • Sie ist nicht jederzeit korrigierbar.

Und genau deshalb wirkt sie ehrlich.

Paradoxerweise hat die künstliche Perfektion die Sehnsucht nach echter Imperfektion nur verstärkt.

Gerade Marken wie z.B. BMW, die aktuell stark auf KI setzen, kann ich nicht ganz verstehen. Logo, hier werden Kosten gespart. Aber das ist eine sehr kurzfristige Denke.
BMW definiert sich über echte Fahrerlebnisse. So war der Claim über Jahre hinweg "Freude am fahren". KI generiertes Bildmaterial ist ein direkter Widerspruch zum eigenen Anspruch.
Freude am Fahren lebt von Authentizität und vom Gefühl, etwas Reales zu erleben. Ein künstlich erzeugtes Bild kann diese Echtheit nicht transportieren. Es fehlt das Unperfekte, das Unvorhersehbare, das Licht, das nur im echten Moment entsteht. Wer ein emotionales Versprechen abgibt, sollte dieses auch visuell glaubwürdig einlösen.

In der analogen Fotografie zeigt sich besonders deutlich, warum echte Bilder so viel Kraft haben. Jede Aufnahme entsteht aus einer Entscheidung und aus einem Prozess, der Zeit, Handwerk und Zufall vereint. Dieses Zusammenspiel schafft Charakter. KI-Bilder hingegen entstehen aus Berechnung und Wiederholung und bleiben damit immer ein Stück weit generisch. Für Marken, die Emotionen verkaufen möchten, ist das ein Risiko. Für Fotografen ist es ein Beweis dafür, dass echte Bildwelten und echte Prozesse relevanter denn je sind.

Was die analoge Fotografie an meiner digitalen Arbeit verändert hat

Beruflich fotografiere ich weiterhin digital auf höchstem Niveau. Der moderne Workflow ist schneller, flexibler und effizienter. Doch privat und in speziellen Projekten ist Film wieder ein fester Bestandteil.

Er verändert meinen Blick.

  • Ich fotografiere digital bewusster.

  • Ich komponiere klarer.

  • Ich beobachte Licht intensiver.

  • Ich akzeptiere Fehler als Stilmittel.

  • Ich sensibilisiere Kunden für echte Bildwelten.

Analoge Fotografie hat mir einen Teil meiner ursprünglichen Leidenschaft zurückgegeben.

Fazit: Warum analoge Fotografie wieder so relevant ist

Die analoge Fotografie erinnert mich daran, warum ich überhaupt begonnen habe. Sie entschleunigt, belohnt Geduld und feiert das Unperfekte. In einer Zeit, in der KI makellosere Bilder erzeugt als je zuvor, wird das Unperfekte wieder wertvoll.

Perfektion beeindruckt. Unperfektion berührt.

Vielleicht kommt Film deshalb gerade so stark zurück. Und vielleicht hat er genau deshalb den Spaß am Fotografieren zu mir zurückgebracht.