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12 Jahre Fotografie – Von Architektur zu Industrie & KI | Nick Frank

12 Jahre als professioneller Fotograf – eine Zwischenbilanz. Fotografie im Wandel

Die ersten 12 Jahre als Profifotograf

Vom Werber zum Fotografen: wie ich angefangen habe

Nick Frank am Biertisch, mit einem Huhn vor sich

2012, im Alter von 37 und mit einem sicheren Job als Creative Director in der Werbung, habe ich beschlossen, dass mir das alles so keinen Spaß mehr macht. Die Prozesse waren mir zu kompliziert, zu viele Menschen waren beteiligt, Produkte haben mich persönlich nicht interessiert oder abgeholt. Gleichzeitig war ich komplett World of Warcraft verfallen – vielleicht, weil ich sonst in meinem Leben nichts hatte, was mich ausgelastet hat.

Also habe ich mir eine Kamera gekauft, gekündigt und World of Warcraft deinstalliert.

Fuck it, ich bin jetzt Profi-Fotograf!

Da kann ich alles selbst machen: nachdenken, umsetzen, veröffentlichen. So meine Logik. Ein Sprung ins kalte Wasser. Von Ex-Kollegen wurde ich belächelt – für diese Bilder zahlt jemand? Tatsächlich hat das aber alles richtig gut funktioniert.

Ich könnte dir jetzt erzählen, dass ich mehr als nur schöne Bilder kreieren wollte – visuelle Lösungen schaffen, die Inhalte auf den Punkt bringen und meine Haltung spiegeln. Echte Mehrwerte liefern und nicht nur aufgeladenen Ballast.
So würde es ein Galerist erzählen – wenn ich ehrlich bin, dann wollte ich aber einfach nur geiles Zeug fotografieren und retuschieren. Ich habe mir die Sachen rausgesucht, die ich persönlich gut fand, und dann ging es auch schon los. Nichts hat mich da ausgebremst, mein Akku war einfach nie leer. Morgens raus um 5, jeden Tag am Rechner sitzen, bis 23 Uhr und Bilder bearbeiten … easy.

Die ersten Jahre habe ich mehr oder weniger (bis auf ein paar bezahlte Minijobs) nur Nutzungsrechte an meinen Bildern verkauft. Oft auch großformatige Prints an Privatkunden. In dieser Zeit habe ich viel veröffentlicht. Adobe Behance war die Grundlage meines Erfolgs. Magazine kamen darüber auf mich zu und wollten Strecken veröffentlichen und Interviews mit mir. Ich war beispielsweise im Spiegel, der New York Times, der Wired oder dem Lufthansa Magazin.
Eine wirklich tolle und unbeschwerte Zeit. Irgendwie ging es nur bergauf.

Von Architektur zu Industrie und Corporate: Was hat sich verändert?

In den folgenden Jahren kamen immer mehr kommerzielle Shooting-Anfragen dazu – zunächst fast ausschließlich für Architektur, später dann auch für Industrie und mittlerweile auch für Corporate. Mein Portfolio ist breiter geworden. Industrie ist heute mein Schwerpunkt. Hier geht es nicht um Deko, sondern um Prozesse. Nicht um hübsch, sondern um relevant. Ich arbeite dort, wo Dinge entstehen – in Hightech-Werken, Maschinenparks, Serverzentren.

Gleichzeitig wurden die freien Arbeiten immer weniger, und mittlerweile kann ich mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt einfach mal unterwegs war, nur um etwas für mich zu fotografieren – aus einem inneren Drang heraus. Es fehlt mir.

Ein Grund dafür ist auf jeden Fall, dass viele meiner Arbeiten von einem Kollegen kopiert wurden. Tatsächlich handelt es sich um 1:1-Replika, wie ein früherer Artikel von mir zeigt. https://www.nickfrank.de/blog/2019-11-13-biggest-drawback-part-1
Mittlerweile sind über 7 Jahre vergangen, dieses Gefühl der Machtlosigkeit hat mich aber nachhaltig geschädigt und einen Teil meiner Freude geraubt. Ich sollte einfach darüber stehen und weitermachen, so einfach ist das aber nicht.

Warum freie Projekte sehr wichtig bleiben und über deine Zukunft entscheiden

Einen Sack Geld für einen Job zu bekommen, der technisch wie inhaltlich schnell erledigt ist und überschaubaren Aufwand bedeutet, ist toll. Es ist schwer, dagegen resistent zu sein. Aber genau hier liegt auch die Gefahr: Sich von der kommerziellen Fotografie völlig vereinnahmen zu lassen, bringt langfristig Probleme mit sich.

Wer ausschließlich kommerziell fotografiert, verliert auf Dauer etwas Entscheidendes: die eigene Handschrift. Man wird gebucht, weil man „das Thema schon mal gemacht hat“ – nicht, weil man für eine individuelle Bildsprache steht. Die Folge: Man konkurriert über den Preis statt über Qualität. Und irgendwann gerät man in eine kreative Abwärtsspirale. Nicht jede Location, nicht jedes Setting, nicht jedes Modell liefert genug Potenzial fürs Portfolio.

Ohne freie Projekte fehlt zudem nicht nur relevantes Portfolio-Material, sondern auch ein Stück persönliche Erfüllung. Als kreativer Mensch bin ich immer auf der Suche – nach neuen Motiven, Ausdrucksformen, Herausforderungen. Freie Arbeiten halten diese Suche lebendig und bewahren mir die Freude am Gestalten. Sie erfordern auch, dass man sich mit einem Thema wirklich beschäftigt und tief eintaucht. Denselben Shot immer und immer wieder zu fotografieren, bis es passt, ist ein Prozess, bei dem man etwas über sich und seine Fotografie lernt. Auch hier gilt es, Widerstände zu überwinden – die aber im Vergleich zu einem kommerziellen Auftrag ganz anders sind.

Unter uns, in der Realität buchen dich Kunden, weil du geilen Shit im Portfolio hast, damit du für sie völlig langweiliges Zeug fotografierst. Aber die Option besteht, dass du geiles Zeug für sie machst.

Spätestens hier merkt man: Eigentlich will ich (und muss ich auch) wieder mehr freies Zeug fotografieren – denn scheinbar ist es wirklich wichtig für mich. Nicht nur, um die Qualität der Arbeiten auf ein anderes Level zu bringen, sondern auch wegen der Zufriedenheit.

Passend dazu ein Gespräch, das ich gestern mit einer sehr guten Bekannten und Kollegin hatte. Sie fotografiert im Bereich Corporate, betreibt aber einen reinen Architektur-Instagram-Account mit knapp 200 k Followern und wirklich tollen, außergewöhnlichen Bildern. Trotzdem wird sie dafür kaum gebucht. Ihr fehlen die klassischen Shots zur blauen Stunde, die viele Architekten zwangsläufig erwarten.

Solche Motive bekommt man eben oft nur über freie Arbeiten ins Portfolio. Man muss die Extrameile gehen – und im besten Fall nicht vor der eigenen Haustür, sondern in Spanien, Dänemark oder UK, wo es spannende Gebäude gibt.

Mein Highlight-Projekt: Made in Fukushima

Made In Fukushima Präsentation des Buches, Übersicht einiger Seiten

Neben vielen tollen Erfahrungen und Erlebnissen, die ich zwischen 2015-2022 in den USA auf Jobs machen durfte, sticht ein Projekt besonders hervor: Made in Fukushima. Gemeinsam mit dem Team von METER Group und Serviceplan haben wir eine eindrucksvolle Geschichte in Bilder übersetzt – über den Wiederaufbau einer Region, über  Vertrauen in Wissenschaft und über die Kraft von Transparenz. Das Projekt wurde mehrfach international ausgezeichnet und bleibt für mich ein Meilenstein in Sachen Purpose und Storytelling.
Besonders, weil wir, ohne viel Ahnung über die Region gehabt zu haben, uns dort einfach treiben haben lassen. Erst im Verlauf des Aufenthalts fing ich an zu reflektieren und zu verstehen, wo ich eigentlich gerade bin und was für ein gewaltiges Erlebnis das ist.

Wie sich die Branche in den letzten Jahren verändert hat

Künstliche Intelligenz verändert alles – auch die Fotografie

Splitface, links KI, rechts klassische Fotografie

KI-Tools nutze ich knapp 2 Jahre. Wie viele auch sehr regelmäßig – etwa zur Ideenfindung, für Moodboards oder um visuelle Richtungen schnell zu testen. Auch Kunden setzen zunehmend auf KI, und buchen mich gezielt für Spezial Themen, bei der echte Fotografie an Grenzen stößt: z.B. für komplexe Perspektiven oder spezifische Umgebungen. Beispielsweise habe ich Anfang des Jahres Wolkenstrukturen für einen Kunden gepromptet, die so nicht zu realisieren gewesen wären.

Gleichzeitig sehe ich, wie wir uns auf eine generische Bilderflut bewegen – visuell glattgebügelt, perfekt inszeniert, aber ohne Substanz. In dieser Welt wird klassische Fotografie wieder zum Unterscheidungsmerkmal. Sie wird zum Trademark. Denn was echt ist, wirkt. Was handgemacht ist, fällt auf. Und was fotografiert wurde, statt generiert – bleibt. Oder irre ich mich und die Qualität von Content ist überhaupt nicht mehr wichtig – akzeptieren wir einfach alles, was halbwegs glatt aussieht und schnell vorbeifliegt? Täusche ich mich, wenn ich behaupte, dass Bildqualität noch zählt? Ich hoffe nicht.

Auf jeden Fall bekommen Kunden von mir (und anderen Berufskollegen) zwischen 6-15 fertige Bilder nach einem Tag Shooting. Das sind Originale, sie sind authentisch und funktionieren auch nach Jahren noch. Die Rechte dafür hat der Kunde. Da muss man sich doch die Frage stellen - was ist da jetzt effizienter hinsichtlich Kosten und Inhalt? KI oder echte Fotografie? Ich gehe sogar so weit, ausgewählte Projekte auf Film zu fotografieren und die Echtheit der Aufnahmen noch einmal zu steigern. Außerdem ist es immer ein tolles Making-of-Erlebnis für den Kunden. 

Beratung wurde in den letzten Jahren immer wichtiger

Technisch „gute“ Bilder aufzunehmen ist mittlerweile keine Rocket-Science mehr, so ehrlich muss man sein. Aber Beratung wird langsam zu einer Kernleistung. Kunden brauchen mehr als schöne Fotos – sie brauchen visuelle Lösungen, die zur Marke, Vorhaben, Zielgruppe und Kommunikationsstrategie passen.

Oft wissen Kunden nicht genau, wo und wie sie Bilder überhaupt einsetzen können – sei es auf Websites, in HR-Kampagnen, im Vertrieb oder auf Social Media. Schon in der Konzeptphase beginnt hier die eigentliche Arbeit: aufzuzeigen, welche Art von Bildmaterial in welchem Kontext Wirkung entfaltet.

Emotionale und funktionale Fotografie auf einem Zeitstrahl verortet

Ein zentraler Bestandteil dieser Beratung ist die visuelle Sprache der Marke. Natürlich spielen Farbpaletten, Kompositionen oder wiederkehrende Bildelemente eine Rolle. Doch entscheidender ist es, die Bildsprache kommunikativ zu strukturieren – in funktionale und emotionale Container. So entsteht ein strategischer Rahmen für zielgerichtete Kommunikation.

Emotionale Bilder schaffen Nähe, transportieren Haltung und sprechen die Zielgruppe auf einer persönlichen Ebene an. Funktionales Bildmaterial liefert konkrete Informationen, visualisiert Prozesse und erklärt komplexe Inhalte – besonders wichtig in Industrie, Technik und B2B. Die Kombination beider Ebenen macht Kommunikation vielseitig, adaptierbar und wirksam über verschiedene Kanäle hinweg.

Veränderungen seit Corona: Aus den Augen aus dem Sinn

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Art, wie Projekte zustande kommen, verändert. Früher entstanden neue Aufträge oft durch persönliche Begegnungen und Empfehlungen – heute läuft fast alles digital. Das ist völlig okay, hat aber auch Konsequenzen: Viele Angebote bleiben unbeantwortet, Rückmeldungen kommen spät oder gar nicht, und wenn, dann fehlt Feedback und der potenzielle Kunde nimmt sich gerade einmal für eine Zeile Text Zeit. 

Es fühlt sich an, als hätte uns das Digitale transformiert – an oder aus, eins oder null. Keine Zwischentöne mehr, kein Raum für Spontanität, kaum echtes Feedback. Kommunikation ist binär geworden: Entweder passiert etwas – oder nichts.

Corona hat zwar vieles effizienter gemacht, aber auch entkoppelt. Als Fotograf muss ich heute mehr denn je sichtbar bleiben, aktiv begleiten, Vertrauen digital aufbauen – in einer Welt, in der Präsenz keine physische Qualität mehr ist.

Workflows und Technologie haben sich verändert aber die Arbeit auch?

Mein Mac hat mittlerweile 40-Kerne, 5 GHz und 128 GB RAM. Früher habe ich darauf gewartet, dass meine PSD endlich gespeichert wurde, was schon mal 30 Sekunden gedauert hat. Jetzt warte ich 30 Sekunden darauf, dass Generative Fill fertig wird. Beides hat gemeinsam, dass ich auf den Rechner starre und mich auf den Golfplatz träume.
Photoshop bietet eine unglaubliche Masse an Tools, die keiner mehr nutzt. Vieles ist automatisiert. 

Andererseits auch spannend, da ich Kunden habe, die keine Cloud-Services erlauben und dann doch wieder alles von Hand passieren muss. Ich frage mich, wie nachfolgende Generationen mit dieser Problematik umgehen. Wird man den Photoshop-Stempel in der Zukunft überhaupt noch kennen?

Meine erste Kamera war eine EOS 60D mit 18 Megapixeln. Jetzt nutze ich eine Fuji mit 100 - mit Pixel-Shift sogar 400. Die Auflösungen der Webseiten, in die diese Bilder eingespiegelt werden, haben sich aber nicht signifikant verändert. Zumindest trifft der Autofokus jetzt besser. 

Wie ich mich verändert habe

Internationale Erfahrung verändert den Blick – und einen selbst

Eigentlich bin ich eher introvertiert. Ich beobachte lieber, als laut aufzutreten. Umso spannender war es für mich, in den letzten Jahren in Ländern wie Japan, den USA, Korea, Kanada oder Marokko zu arbeiten.

Diese Projekte haben nicht nur meinen fotografischen Blick geschärft, sondern auch meinen Horizont erweitert. Interkulturelle Kompetenz heißt für mich: aufmerksam sein, respektvoll kommunizieren, sich auf neue Situationen einlassen – ohne sich selbst zu verlieren.

Jede Reise, jedes Briefing in einer anderen Zeitzone, jedes Shooting unter völlig anderen Voraussetzungen hat mich ein Stück weitergebracht. Heute kann ich mit Kunden auf Augenhöhe arbeiten – egal ob in München oder Montreal. Und ich glaube: Gerade weil ich nicht der Lauteste bin, fällt es mir leicht, genau hinzuhören.

Nicht jedes Projekt ist ein gutes Projekt – und das muss man auch sagen dürfen

Eine der wichtigsten Lektionen der letzten Jahre: Man muss auch mal Nein sagen können. Früher habe ich versucht, jedes Projekt möglich zu machen – aus Ehrgeiz, aus Unsicherheit, manchmal aus Höflichkeit und klar, weil man die Kohle auch mal einfach mitnimmt.  Heute weiß ich: Ein schlechtes Briefing oder eine halbherzige Idee führen nicht zu einem guten Ergebnis. Ich bin unzufrieden, der Kunde ist unzufrieden. Es bringt nichts.

Ich sehe es als meine Verantwortung, nicht nur umzusetzen, sondern auch zu hinterfragen – ehrlich, direkt und konstruktiv. Denn meine Kunden investieren Geld, Zeit und Vertrauen. Und ich investiere meine Erfahrung. Beides verdient Klarheit.


 

Ich bin jetzt 50 Jahre alt. Und klar, die Branche ist schneller geworden - ich gleichzeitig etwas langsamer. Ich könnte jetzt sagen, dass es mich nicht stresst, wäre aber gelogen. Natürlich schlafe ich auch mal schlecht, weil ich Zukunftsängste habe. Gleichzeitig habe ich doch ein sehr großes Fundament an Erfahrung, das ich einsetzen kann. Ein riesiger Vorteil. Ich war immer in der Lage, mich anzupassen, den nächsten Schritt zu gehen.

Fotografie bleibt mein Werkzeug. Der Blick dahinter wird schärfer.

Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen – über kleine Anekdoten, technische Entwicklungen, schräge Kundenmomente oder persönliche Umbrüche. Eigentlich könnte man daraus ein ganzes Buch machen. Aber vielleicht ist das Stoff für einen neuen Blogbeitrag. Oder zwei.

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