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Professioneller Fotograf - das erste Jahr | Nick Frank

Professioneller Fotograf - das erste Jahr (und ein wenig davor)

26. Dez 2014
Portrait Nick Frank

Meine Erfahrungen und Erlebnisse als Quereinsteiger und Professioneller Fotograf

Grüß Gott und hallo,

Ich bin Nick, 39 Jahre alt, aus München und seit einem Jahr professioneller Fotograf. Wie das so kam und wieso man so etwas mit 38 noch macht erzähle ich Dir bevor ich danach ein Zwischenfazit ziehe.

1997 mit 22 Jahren machte ich den Abschluss zum Kaufmann. Bereits ein Jahr zuvor/davor stellte ich mir die Frage “Moment mal, geht es nicht vielleicht doch etwas kreativer, bin ich hier überhaupt richtig?”.  So kam es, dass ich mich direkt nach meiner Ausbildung gegen den Kaufmann entschied und mit einem berufsbegleitenden Studium zum Online Designer begann. 1998 dann der Wechsel in die erste Agentur als Screen Designer. Die Karriere ging weiter, ich wurde Art Direktor, arbeitete freiberuflich als Creative Direktor und leitete zuletzt ein Atelier mit knapp 20 Designern. Geworben habe ich während meiner Laufbahn für viele große Marken wie z.B. Microsoft, BMW, Adobe, Fujitsu oder Mammut. Es waren aber auch viele kleine Marken dabei die vielleicht schon in Vergessenheit geraten sind. Schokoriegel, Kaffeepads und Sportartikel, ich hatte sie alle. Auch die Agenturen für die ich tätig war, waren manchmal klein oft aber groß und international agierend. Ich wurde älter, die Kollegen dafür immer jünger. Zuletzt war nicht mehr Photoshop mein Tool sondern Outlook, die Kreativität litt. Ich war wieder 22 Jahre alt und Kaufmann.

Auf der Suche nach einem neuen Hobby kaufte ich im November 2010 eine EOS 60D mit einem Zoom-Objektiv und fing erst einmal an wahllos alles Mögliche abzulichten was mir unter die Finger kam, was man als Anfänger ebenso macht. Freundin und Arbeitskollegen mussten mir brav Modell stehen (nicht immer mit Freude). Aber egal, ich habe jedes bisschen Information und Erfahrung aufgesaugt, wie ein Schwamm. Anfangs fühlte ich mich noch dazu berufen Portraits und Inszenierungen mit Personen zu schießen, bis ich irgendwann festgestellte, es ist doch nicht ganz so einfach wie gedacht. Ich war nicht der Lage dem professionellen Anspruch den ich aus meiner Arbeit in der Werbung gewohnt war auf mein Motiv zu übertragen. Zum einen weil mir dazu die nötige Empathie für die Führung des Modells fehlte, ich aber auch stark abhängig war von Faktoren wie z.B. Styling und Visa. Irgendwann begriff ich, dass ich gute-sehr gute Ergebnisse erziele, wenn ich die formale und sehr grafische Herangehensweise die ich von meiner Arbeit als Art Direktor gewohnt war, in die Fotografie übertrug. Ich begann schwerpunktmässig Architektur zu fotografieren. Hier war die Fehlerquelle für mich leicht zu isolieren. Ich selbst.

Aus einem Hobby ist in Verlauf der nächsten 3 Jahre der dringende Wunsch zur Veränderung und somit hin zur Fotografie geworden. Ein Weg bis zum Ende meines Lebens vor allem aber einem Job, den ich hauptberuflich betreiben möchte. Dass dieser Wunsch durchaus seine Berechtigung hat zeigt der weiße Schrank neben meinem Arbeitsplatz ganz deutlich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits knapp 40 zum Teil mehrseitige Veröffentlichungen in Print-Medien. Abgesehen davon, hat der Hessische Rundfunk einen Beitrag über meine Arbeit gedreht und ich war mit einem knapp 10-minütigen Interview in der Deutschlandwelle zu hören. Awards und Ausstellungen, ich war dabei.

Das wöchentliche Arbeitspensum bei meinem damaligen Arbeitgeber konnte ich Ende 2012 von 40 auf 32 Stunden reduzieren, ohne wäre mein fotografischen Pensum nicht machbar gewesen und trotzdem gab es nahezu keinen Abend an dem ich den Rechner vor 23 Uhr ausgeschaltet hätte, keinen Samstag und keinen Sonntag an dem ich nicht etwas mit Fotografie zu tun gehabt hätte.

Im August 2013 und daraus resultierend als Starttermin Dezember dann die Entscheidung mich als Fotograf selbstständig machen zu wollen. Finde ich einen Platz im schwer umkämpften Markt? Kauft jemand meine Bilder? Kann ich kommerziell arbeiten. Ich gebe mir 2 Jahre Zeit um diese Fragen zu beantworten. Start.

Ein Jahr später kann ich schon ein wenig mehr über meinen nicht mehr ganz so neuen Lebensplan sagen:

Gesundheit

Viel Arbeiten ist phasenweise wichtig, sich einen Ausgleich zu suchen ist aber mindestens genau-so wichtig. So zahle ich den Preis für die Doppelschichten der letzten 3 Jahre zunächst einmal mit einem Bandscheibenvorfall. Ich will also zukünftig besser auf die Signale meines Körpers hören.

Wie oft fotografiere ich?

Professionell zu fotografieren und Bilder zu verkaufen bedeutet nicht zwangsweise jeden Tag die Kamera in der Hand zu haben. Tatsächlich sitzt man die meiste Zeit vor der Kiste, schreibt Emails, telefoniert, retuschiert Bildmaterial oder beschäftigt sich mit der Ideenfindung für neue Projekte. Die eigentliche Fotografie macht vielleicht 20-30% aus. Bei Fotografen die als Geschäftsmodell rein Auftragsarbeiten z.B. im Bereich Portrait haben mag das anders sein, muss es sogar, sonst wäre es unmöglich auf die entsprechenden Einnahmen zu kommen um das eigene Studio, die Ausrüstung usw. zu finanzieren. Ich verdiene meine Geld sehr oft mit dem Schreiben von Emails, dem Beantworten von Anfragen für Foto-, Lifestyle oder Architektur-Magazinen, Sammlern und ähnlichem.

Galeristen sind nicht deine Freunde 

Genau wie du selbst wollen auch sie Geld verdienen. Glaube nicht unbedingt alles was dir ein netter Herr oder eine nette Dame am Telefon oder in einer Email erzählt. Natürlich ist es schmeichelhaft wenn dir jemand erzählt “Solche tollen Arbeiten habe ich ja noch nie gesehen, es ist wirklich etwas ganz besonderes, genau sie haben wir gesucht”. Man muss sich aber klar machen, ein Scout der den Markt sondiert fragt nicht nur bei einem Künstler an sondern bei relativ vielen. Hinterfrage kritisch, lerne zwischen den Zeilen zu lesen. Lass dir Erscheinungstermine (!), besondere Ereignisse usw. schriftlich zusichern. Lies Verträge genau durch und frage zur Not jemanden um Hilfe falls du etwas nicht verstehst.

Einen Werbehintergrund zu haben hilft

Durch meine Arbeit in und für diverse Agenturen weiß ich relativ genau, Welche Erwartungshaltung ein Art Buyer oder ein Art Direktor an ein Bild hat. Bei einer Produktion versetze ich mich selbst wieder in die Lage des Art Direktors und stelle mir vor, wie das fertige Werbemittel auszusehen hat, wo die Typografie läuft, an welcher Stelle ein Logo platziert wird und wo ein potentieller Störer zu finden ist. Ich bilde mir auch ein zu wissen wie meine Kunden so ticken (meistens!).

In der Vergangenheit habe ich gelernt Präsentationen für Projekte oder zur Selbstdarstellung aufzubereiten, Moodboards zu bauen und mit Scribbles zu arbeiten, dass erleichtert es mir an der ein oder anderen Stelle ungemein.

Ich bin ein professionelles Umfeld und das Arbeiten mit Bildmaterial gewohnt und erhebe diesen Anspruch auch an meine Fotografie. Wenn ich etwas nicht 100% kann, dann lasse ich es sein oder beiße mich so lange in die Sache hinein bis ich es kann.

Speed matters

Ich bin mir relativ sicher: 
Den Großteil meiner Veröffentlichungen habe ich weil ich Anfragen einfach direkt beantworte und nichts liegen lasse. Redakteure haben (so bilde ich es mir zumindest ein) immer ein Backup, sie haben selbst Deadlines und einen gewissen Zeitdruck. Wer zuerst kommt .... Leider ist das oft mit einem gewissen Maß an Stress verbunden, speziell wenn dir mal wieder jemand aus dem Ausland um 23.30 Uhr Nachts schreibt kurz bevor du eigentlich pennen willst oder du eine Verabredung absagen musst, weil du eben doch diese Anfrage beantworten willst. Die allermeisten Anfragen die ich erhalte sind in Englisch, was eine gewisse Transferleistung und mehr Zeit als es eigentlich in Deutsch nötig gewesen wäre erfordert. Sprachlich bin ich nicht ganz so sicher wie ich es mir eigentlich wünschen würde. Danke dict.

Social media

Welche Plattform ist die richtige? Wo vernetze ich mich am besten? Um es auf den Punkt zu bringen: Was bringt mir am meisten.
Angefangen hat bei mir alles mit Flickr. Immer auf der Jagd nach kleinen Sternchen und Mini-Awards die man nach der Anmeldung eines Bildes über die Kommentarfunktion bekommt. Gut fürs eigene Ego.
Relevante Kontakte: 0. Bildverkäufe: 0. Dafür eine ganze Menge Katzenbilder und Aufnahmen von Spiegelungen im Wasser (gerne mal von einer Brücke oder so).
1x.com hatte für mich einen gewissen Reiz, auch weil es ein erster Benchmark war (wo stehe ich eigentlich?). Unbedingt wollte ich es schaffen, dass die Kuratoren Bilder von mir für die Galerien auswählen, was mir dann mit knapp einem Duzend Bilder auch gelungen ist. Letzten Endes bewegt man sich hier aber in einem Netzwerk zusammen mit vielen Kollegen allerdings ohne potentielle Interessenten an den eigenen Bildern. Ich verlor das Interesse. 
Ich war bei Fotoblur, in der FC und habe auch noch das ein oder andere Portal mit exotischen Namen ausprobiert, nur um "dabei" zu sein. Mittlerweile habe ich mir die Sinnfrage gestellt und die meisten meiner Accounts gelöscht. Geblieben ist Behance, Adobes Netzwerk für Kreative. Die Liste meiner Follower ist ein bunter Mix aus Kreativen, Art Buyern, Redakteuren und sonstigen interessierten. Die meisten meiner Arbeiten wurden seitens der Behance Redaktion im internen Netzwerk gefeatured, was sich deutlich in den Zugriffszahlen und der Liste der nachfolgenden Veröffentlichungen bemerkbar machte. Sofern man Bildmaterial für eine Seriendarstellung hat, das einen differenzierenden Faktor aufweist, kann ich nur empfehlen Behance auch einmal zu testen, Man muss allerdings geduldig sein, ein Feature kommt nicht direkt am ersten Tag.

Hier gibt es ein Update: 4 Jahre als professioneller Fotograf